Mit erstellt von Katrin
Der Begriff »Behüten« löst bei seiner Erwähnung in Verbindung mit Kindern meist allgemeines Entsetzen aus, weil er sofort mit dem Begriff der »heilen Welt« in Verbindung gebracht wird.
Behüten verstehen wir nicht, als den Kindern eine heile Welt vorzugaukeln, alle Gefahren herunterzuspielen und ihnen alles in irgendeiner Weise problematische vorzuenthalten.
Es bedeutet vielmehr:
Schaffen Sie Ihren Kindern die Möglichkeit, eine Welt zu entdecken, die sie verstehen und in der sie sich zurechtfinden können.
Welche Bedeutung hat Sicherheit für die Entwicklung Ihres Kindes? Ich habe die wichtigsten Elemente für Sie in vier Punkten zusammengefasst:
Es hört sich paradox an, aber Ihr Kind braucht Sicherheit, um den sicheren Bereich verlassen und selbständig werden zu können. Das bedeutet, dass Kinder am Anfang ihrer Entwicklung andere Bedürfnisse haben, bzw. Schwerpunkte anders legen, als in einem fortgeschrittenen Stadium. Kinder benötigen in der Frühphase ihrer Entwicklung eine größere Sicherung durch ihren Behüter.
Wenn Sie Ihrem Kind die Möglichkeit bieten wollen, sich später in der Welt zurechtzufinden, ist es sinnvoll, ihm zunächst eine gewisse emotionale (und natürlich auch körperliche) Sicherheit zu vermitteln.
Um dem Kind dieses Gefühl der Geborgenheit zu geben, das es für die Entwicklung eigener Liebesfähigkeit braucht, ist es notwendig, dass nicht nur die Beziehung der Eltern zum Kind liebevoll und stabil ist, sondern auch die Eltern ihrerseits liebevoll miteinander umgehen. In dieser liebevollen Atmosphäre wirken Eltern als tolle Vorbilder.
Die emotionale Sicherung ist für die Entwicklung Ihres Kindes von besonderer Bedeutung, da sie einen Präventivschutz darstellt, der es ihm ermöglicht, mit seelischen Belastungen leichter fertigzuwerden und es ihm erleichtert, neue Erfahrungen zu machen.
Emotional wird das Sicherheitsbedürfnis in erster Linie dadurch befriedigt, dass Ihr Kind Verlässlichkeit in den Beziehungen innerhalb der Familie erfährt. Das Verhalten der Eltern muss also von Kontinuität und festen Einstellungen und nicht von Willkür geprägt sein.
vermitteln dem Kind Verlässlichkeit und Vertrauen.
Auch das Einhalten bestimmter Rituale können Ihrem Kind jenen Rückhalt bieten, den es braucht, um neue Situationen zu bewältigen.
Manche Eltern erzählen dafür immer wieder die gleiche Geschichte beim Schlafengehen. Auch wenn es Eltern immer wieder zur Verzweiflung treibt, ist ein vertrautes, wenn auch altes Stofftier für ein Kind häufig ein wichtiger Anker – der Freund der kontinuierlich da ist. Gönnen Sie Ihrem Kind diese Sicherheit.
Auf diese Weise hat Ihr Kind einen verlässlichen Hintergrund und kann auf dieser Grundlage viele neue Eindrücke verarbeiten. Um Erfahrungen sammeln zu können, die ihm die Umwelt begreifbar machen, braucht Ihr Kind die Gewissheit, jederzeit in den Rahmen der Sicherheit zurückkehren zu können.
Wenn es diese Gewissheit hat, dann wird es auch den Mut aufbringen, neue Erfahrungen im Leben zu sammeln
Ein Kleinkind, das sich nicht selbst versorgen kann, ist vollkommen auf seine Umgebung angewiesen. Um wirklich ein eigenständiger Mensch zu werden, braucht es eine menschengerechte Umgebung, da es sehr viel von seiner Umwelt lernt.
Damit Ihr Kind nicht durch alles Unbekannte verängstigt wird, muss es nach und nach lernen, Aufgaben zu meistern und seine Umgebung zu erobern.
Da jedes Kleinkind ein kleiner Forscher ist, ist es nicht schwer, ihm neue Erfahrungen zu ermöglichen. Es beginnt zu Krabbeln. Dann läuft es. Dabei nimmt es Dinge in seiner Umwelt mit allen Sinnen war. Je mehr Ihr Kind erlebt, desto größer wird auch der Rahmen, in dem es seine Erkundungen anstellt.
Im Normalfall wird Ihr Kind immer neugieriger, je mehr es gelernt hat. Dafür müssen jedoch zwei Voraussetzungen geschaffen werden:
Zunächst bedeutet Sicherheit in Bezug auf körperliche Gefahren, dass man Räume suchen oder schaffen muss, in denen sich Ihre Kind frei bewegen kann. Somit kann es seine eigenen Erfahrungen sammeln, ohne Gefahr zu laufen, sich ernsthaft zu verletzen.
Es ist hoffentlich nicht nötig zu erwähnen, dass Kinder ohne jegliche körperliche Züchtigung aufwachsen sollten. Auch ein schwacher Klaps gefährdet das Sicherheitsgefühl und brems die Entwicklung von Kindern enorm.
Noch schlimmer als körperliche Gewalt ist die psychische. Psychische Gewalt versteckt sich in vielfältigen Formen im System unserer Gesellschaft, sei es als Zwang, als Nötigung, als Einengung oder andere Dinge, die Angst machen.
Auch der Ansporn zu Leistungen kann einem Kind schaden und in Gewalt ausarten, wenn er soweit geht, dass ein Kind nicht nur aus Motivation durch das Interesse der Eltern an seinen Fortschritten versucht, gute Leistungen zu erbringen. Sondern weil es Angst vor Strafe hat, sollte es die Erwartungen nicht erfüllen. Diese Gefahr besteht immer dann, wenn ein Kind dazu getrieben wird, sich nur noch über seine Leistungen zu definieren und schlechte Leistungen ihm jedes Selbstwertgefühl rauben.
In der heutigen Zeit spielt nicht mehr nur die Gefahr durch reale Gegenstände, Begebenheiten oder Personen eine Rolle. Eine sehr viel größere Gefahr geht von der Reizüberflutung aus, mit der Kinder konfrontiert werden.
Kinder können durch einen Knopfdruck an der Welt der Erwachsenen teilnehmen, sie sehen Sensationen, Gewalt, Brutalität, Streit und Werbung, die ihnen suggeriert, sich über Besitz zu definieren. Der abwechslungsreiche und bunte Aufbau der meisten Fernsehprogramme zieht Kinder in seinen Bann und hält sie stundenlang vor dem Bildschirm.
Ein von zu vielen Reizen überfordertes Kind wird ängstlich, unsicher und entwickelt Widerstand gegen Neues. Es kann nichts Neues aufnehmen, da das Gehirn damit beschäftigt ist, die Masse an Informationen zu verarbeiten.
Ein Kind, dem allerdings jede neue Erfahrungsmöglichkeit von vornherein genommen wird, wird in Langeweile und Apathie versinken. Es wird vermutlich sehr passiv bleiben und durch Frustrationsgefühle und Reizbarkeit auffallen.
Deshalb ist es wichtig, Ihrem Kind Räume zu sichern, in denen es seine eigenen Erfahrungen machen kann, ohne dass es überfordert oder körperlichen sowie geistigen Gefahren ausgesetzt ist.
Wenn Sie Ihr Kind überbehüten, besteht die Gefahr, dass aus reinem Selbstschutz versucht wird, Probleme, die eigentlich wichtig für die Entwicklung Ihres Kindes wären, fernzuhalten. Gemeint sind Gesprächsthemen wie Sexualität oder Tod, die den Eltern selbst oft unangenehm oder peinlich sind.
Es darf nicht dazu ausarten, dass Eltern ihre eigene Idealvorstellung von einer besseren Welt so anwenden, dass sie alles unerwünschte ausblenden. Die »heile Welt« (bewusst oder unbewusst) vorspielen, raubt Ihrem Kind die Möglichkeit, sich in der Realität, auf die es später mit voller Härte treffen wird, zu orientieren.
Kinder sehen, hören und erahnen meist viel mehr, als es Erwachsene wahrhaben wollen. Versuchen Sie, alles Unangenehme zu vertuschen, wird Ihr Kind früher oder später dahinterkommen und sein Vertrauen in Sie leidet durch das Gefühl von Bevormundung.
Bevormundung ist manchmal nie wieder gutzumachen. Wir müssten demnach ständig die Frage, wen man eigentlich schützen will, sich selbst oder das eigene Kind. Womöglich möchte man sogar bewusst seinen Vorsprung an Wissen möglichst groß halten, um damit Herrschaft auszuüben, sodass das Kind eine Abhängigkeit gerät.
Stellen Sie eine zu enge Bindung zu Ihrem Kind her, kann es passieren, dass eine gewisse Lösung vom Elternhaus nie gelingt und Ihr Kind ein Leben lang abhängig bleibt. Es wäre nicht fähig, befriedigende, eigene Beziehungen aufzubauen.
Außerdem besteht bei einem abgeschirmten Kind die Gefahr, dass es, genau wie ein überreiztes Kind, neuen Erfahrungen ängstlich und unaufgeschlossen gegenübersteht und keine Selbständigkeit erlangt.
Überbehütung zeigt sich immer, wenn der Drang zur Behütung – sei es aus gutem Willen oder aus Selbstschutz – Überhand nimmt. Ein schönes Beispiel dafür ist eine Mutter, die panisch über eine absolut keimfreie Umgebung für ihr Kind wacht und ihm somit die Möglichkeit nimmt, sich langsam an die Krankheitserreger zu gewöhnen.
Kommt das Kind nun plötzlich mit ihnen in Kontakt, wird es von ihrer Wirkung überrollt. Dieses Beispiel lässt sich auf jeden Sicherheitsbereich übertragen.
Ein Kind, das nicht nach und nach immer mehr über die Realität erfährt – und zwar in Schritten, die es verarbeiten kann, wird eines Tages von ihr überrumpelt werden.
Ein Kind, dessen Taten- und Forschungsdrang von einer überängstlichen Mutter gehemmt wird, wird den Drang, selbständig zu werden und eigene Erfahrungen zu machen, nach und nach verlieren.
Der Überbehütung steht die Vernachlässigung entgegen. Die häufigsten Gründe für Vernachlässigung resultieren aus der persönlichen Einstellung in Erziehungsfragen, aus Desinteresse oder Zeitmangel.
Nicht jedes Kind wird durch Vernachlässigung den gleichen Schaden nehmen. Sie ist jedoch häufig Auslöser für soziales Fehlverhalten. Ein Kind, das nicht geliebt – vielleicht sogar abgelehnt – wird, wird erwartungsgemäß mit Wut oder Gleichgültigkeit seinen Mitmenschen gegenübertreten.
Das sind Gefühle, die später in Zerstörungsdrang, Gewalt und Kriminalität umschlagen können oder zumindest Versagen in vielen Lebenslagen zur Folge haben.
Durch eine liebevolle Beziehung lernt Ihr Kind, Rückschläge und Enttäuschungen zu verkraften, Wutreaktionen zu beherrschen und Energie konstruktiv einzusetzen.
Besteht diese Beziehung nicht, bleiben ungezügelte Reaktionen erhalten und werden mit wachsender Kraft nur gefährlicher. Vernachlässigung (wie auch Überbehütung) muss nicht, doch kann schwere Schäden hervorrufen.
Deshalb ist der Versuch, Ihrem Kind die nötige Sicherheit zu geben, eine ständige Gratwanderung, die Sie stets hinterfragen sollten.
Zum Überblick gebe ich Ihnen die wichtigsten Tipps nochmal in der Zusammenfassung:
Gewiß, Kinder müssen gewagt, müssen freigegeben werden; aber nicht fallengelassen, nicht preisgegeben an alle die, die heute nach ihnen greifen.
Andreas Flitzer