Mit erstellt von Katrin
Nach einer genauen Analyse der kindlichen Zeichnungen kamen die Entwicklungsforscher zum Ergebnis, dass die kindliche Malentwicklung in unterschiedliche Phasen aufgeteilt werden kann.
Da Malentwicklung mit Vorstellungsvermögen, graphomotirischen Fähigkeiten und Umsetzungsvermögen zu tun hat, erlaubt der Stand der Malentwicklung des Kindes eine grobe Aussage über die entwicklungsbedingte Reifungsprozesse.
Dabei muss allerdings sichergestellt werden, dass Ihr Kind bereits öfter Malmaterialien in der Hand hatte und es sich nicht um eine Dyspraxie handelt.
Eine Dyspraxie ist eine lebenslange Koordinations- und Entwicklungsstörung, die bei ca. 10 % aller Kinder auftritt. Kein Grund zur Panik. Jeder Mensch hat andere Stärken. Vergleichen Sie die folgenden Beispiele, um Ihr Kind einzuschätzen.
Die Altersangaben stellen dabei nur Richtwerte dar, können aber eine ungefähre Einschätzung des Entwicklungsstandes geben.
Inhaltsverzeichnis: Phase 1 | Phase 2 | Phase 3 | Phase 4 | Phase 5
Kleine Kinder verwenden gerne breiartige Substanzen, um eine Spur zu hinterlassen. Das Ergebnis dieser Zeichnung schaut für die Eltern meist recht unerfreulich aus, ist allerdings eigentlich ein erfreulicher Entwicklungsschritt, in dem das Kind lernt, dass es mit seiner Handbewegung ein Werk vollbringen kann.
"Für Kleinkinder ist das Erleben der ersten, selbst gesetzten Spuren etwas Ungeheuerliches. Sie sind verwundert und erstaunt; sie müssen sich durch Wiederholung immer wieder vergegenwärtigen, dass die Spur auch wirklich sichtbar bleibt" (Uhlig 2014, S. 422).
In diesem Stadium der Malentwicklung wechselt Ihr Kind permanent die Hand. Die junge Künstlerhand ermüdet noch recht schnell und wird regelmäßig von der anderen Hand abgelöst. Bevorzugt Ihr Kind in diesem Alter bereits stark eine Hand, sollten Sie dies unbedingt Ihrem Kinderarzt berichten. Dies könnte ein Hinweis für eine neurologische Störung sein.
In dieser Phase greift Ihr Kind zu einem Stift, das es meist in einer Faust hält. Zum ersten Mal entstehen Muster, mit dem dafür vorgesehenen Instrument, auch wenn sich diese Muster sich nicht immer auf den dafür vorgesehenen Flächen befinden.
In dieser Phase haben die Bilder keinen Inhalt. Für das Kind ist auch nicht das Ergebnis des Malens, sondern der Prozess und der Stift an sich von großer Bedeutung.
Beim Hiebkitzeln erkennt das Kind zunächst den Zusammenhang zwischen seiner Bewegung und den Spuren (hoffentlich) auf dem Papier. Es sind kleinere Striche, die meist aus einer Schulterbewegung entstehen, d. h. der ganze Arm bewegt sich dabei.
Auf das Hiebkitzeln folgt das Schwingkitzeln. Hier werden die Striche etwas länger und dichter.
Sie werden meist in der Mitte des Blattes platziert und entstehen aus dem Ellenbogen heraus. D. h. es bewegt sich der Unterarm beim Malen.
Die Striche verlaufen in alle Richtungen. Das Kind kann den Stift absetzen und wieder neu aufsetzen.
Anschließend kommt das Kreiskitzeln. Wie der Name bereits verrät entstehen hier zum ersten Mal rundere Formen – ungleichmäßige Kreise, Spiralen und Urknäule.
Als nächste Form nach dem Kreis folgen mit etwa 3 Jahren Kreuze. Es entstehen kontrollierte senkrechte und waagerechte Linien.
Der Stift oder Pinsel werden meist im sogenannten Faustgriff gehalten. Der Faustgriff mit dem kleinen Finger nach unten wird vom Faustgriff mit dem Zeigefinger nach unten (siehe Bild) abgelöst.
Zum Abschluss dieser Phase fängt das Kind an, seinem Bild nachträglich eine Bedeutung zu geben und seine Zeichnung zu kommentieren. Meist ist das beschriebene Bild nur für das Kind sichtbar und nicht tatsächlich erkennbar.
Mit etwa 3,5 bis 4 Jahren malt das Kind den ersten Kopffüßer aus drei Teilen. Die Bilder erinnern anfangs ganz besonders an eine Sonne. Es ist eine Figur aus einem Kreis und tentakelartigen Beinen und Armen. In dieser Entwicklungsphase haben die gezeichneten Menschen noch keinen Rumpf oder Bauch. Auch die Arme werden bei dem Kopffüßer oft weggelassen.
Eine besondere Bedeutung trägt das Gesicht, dass für die vergangen Jahre das Erkennungszeichen von Emotionen war.
Viele Eltern meinen es in dieser Zeit gut, wenn Sie die Kinder dazu auffordern noch eine Blume oder einen Menschen dazu zu malen. Ein Bild ist ein Ausdruck des inneren Erlebens mit einem bestimmten Entstehungskontext und hat einen Wert für sich. Mit dem Vergeben der Tipps reduzieren wir diesen Wert und das darf nicht sein. Lassen Sie lieben Ihr Kind erzählen, was sich auf dem Bild befindet und stellen Sie ein paar Fragen zu dem Erzählten.
Die Voraussetzung für diese Phase sind mentale Repräsentationen d.h. innere Bilder von etwas Bestimmten, ohne es tatsächlich vor sich zu haben. Z.B: Der Satz "Bringe mir bitte einen Ball" wird verstanden, ohne dass Sie auf den Ball zeigen müssen. Das Kind hat vor seinem inneren Auge die Vorstellung von einem Ball und agiert nach dieser inneren Vorstellung.
Im Alter zwischen 4 und 5 Jahren vollzieht sich ein wichtiger Entwicklungsschritt.
Es entstehen Bilder, die bestimmte Szenen darstellen. Es kommen Einzelheiten wie Autos, Bäume oder Häuser als Bestandteil der Bilder hinzu.
Oft ist hier eine horizontale Aufteilung in Bodenlinie, Mitte des Bildes (hier findet die Handlung statt) und Himmel zu beobachten.
Auch Menschenzeichnungen werden immer detaillierter – der Mensch bekommt nun z. B. Ohren, Wimpern oder Finger. Das Kind plant seine Zeichnung und weiß bereits vorher, was es malen möchte.
Während des Malens werden die gemalten Gegenstände häufig kommentiert. Die Proportionen der einzelnen Gegenstände sind noch nicht realistisch.
Viel mehr wird durch die Größe die persönliche Bedeutung für das Kind signalisiert – je größer das Objekt, desto wichtiger ist es dem Kind.
Hier werden die ersten diagonalen Formen gemalt z. B. das Dach vom Haus. Die Schrägen erlauben eine Aussage über die Biliteralintegration – einem wichtigen kognitiven Entwicklungsschritt Ihres Kindes. Mehr dazu in einem weiteren Kapitel.
In dieser Phase hält Ihr Kind die Malgeräte immer häufiger im sogenannten 3-Punkt Griff. Dabei wird der Stift / Pinsel mit Zeigefinger, Daumen und geknicktem Mittelfinger gehalten. Mit 5 Jahren sollte Ihr Kind bereits eine Hand bevorzugt benutzen, ohne zu wechseln. Ein Handwechsel in diesem Alter ist ein deutliches Signal für eine feinmotorische Störung.
Eine der Lieblingsaufgaben der Eltern und Erzieher ist nun, die Bilder zu interpretieren. Das macht Spaß, allerdings ist hier Vorsicht geboten. Niemals können die Bilder für sich als ein eigenständiges Diagnoseinstrument dienen. Sie sind immer im Entstehungs- und Gesamtkontext einzuordnen.
Beispiel aus der Praxis:
Jonas malt seit 3 Tagen nur mit schwarz. Wenn er bunte Zeichnungen anfertigt, werden diese ebenfalls mit schwarz übermalt. Erzieherinnen verfallen in Panik, befürchten Schlimmes (Gewalterfahrung, Depression usw.) und sprechen die Eltern zögerlich darauf an.
Vorgehen:
Lösung:
Jonas ist in den letzten Wochen aufgrund seiner häufigeren Streitigkeiten aufgefallen. In den meisten Fällen handelte es sich um Wettkämpfe jeglicher Art, die etwas ausgeartet sind. Auf Nachfrage, warum Jonas so oft schwarze Farbe nutzt, bat er eine sehr ungewöhnliche Antwort. Jonas hat festgestellt, dass Schwarz die "stärkste" Farbe ist, die alles "verstecken" kann und probiert nun, ob es tatsächlich bei allen Farben zutrifft.
Parallel dazu war Jonas permanent am Vergleichen - Was ist länger? Was ist schwerer? Was ist stärker? Daraus ergaben sich auch die ständigen Vergleiche und Wettkämpfe mit anderen Kindern.
Jonas ist also ein kleiner Forscher, der seine Welt erkundet und aktuell in einer Phase des Vergleichs der physikalischen Größen ist. Es besteht kein Handlungsbedarf.
Mit spätestens 5 Jahren sollte Ihr Kind eine sichere Handdominanz haben – d. h. wissen, ob es Links- oder Rechtshänder ist.
Die Bilder werden nun realistischer.
Bei Figuren verändern sich die Dicke der Extremitäten in dieser Phase. Arme und Beine werden nun mit Doppellinien gemalt.
Diese Phase ist auch dadurch gekennzeichnet, dass Kinder »Röntgenbilder« zeichnen. Es werden mehrere Schichten eines Gegenstandes abgebildet, die eigentlich nicht durchsichtig sind.
Zum Beispiel können die Körperumrisse unter den Kleidern sichtbar sein oder ein Haus wird so gemalt, dass sichtbar ist, was sich im Inneren abspielt.
Die gesamte Malentwicklung vollzieht sich im Normalfall bis zum Alter von etwa 12 Jahren und ist ab diesem Alter meist abgeschlossen.
Es ergibt keinen Sinn mit dem Kind gezielt zu üben, wie des einen Menschen oder andere Gegenstände malen soll, außer Ihr Kind selbst fordert Ihre Unterstützung ein.
Großes Interesse an bestimmten Mal-Themen können Sie jederzeit individuell fördern.
Zusätzlich können Sie dem Kind spannende Maltechniken vorstellen, um sein Handlungsspektrum zu erweitern.
Glas, Alexander (2013): Das Kind als intentionaler Akteur – Zur Parallelisierung von Sprache und Zeichnung. In: Schulz, Frank/Seumel, Ines (Hrsg.): U 20. Kindheit Jugend Bildsprache (Kontext Kunstpädagogik, Band 35), kopaed Verlag München, S. 111–127.
Haug-Schnabel, Gabriele/ Bensel, Joachim (2005): Grundlagen der Entwicklungspsychologie. Die ersten 10 Lebensjahre. Verlag Herder,Freiburg im Briesgau.
Jenni, Oskar (2013): Wie Kinder die Welt abbilden – und was man daraus folgern kann. In: Pädiatrie up2date 2013; 08(03): S. 227-253. Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Lebéus, Angelika-martina (2001): Kinderbilder und was sie uns sagen. Beltz Verlag, Weinheim und Basel.
Mock-Eibeck, Anja (2018): KurzCHECK Kognitive Entwicklung von Kindern. Verlag Handwerk und Technik GmbH Hamburg.
Richter, H.-G (2000): Die Kinderzeichnung. Cornelsen Verlag, Berlin.
Uhlig, Bettina (2014): Zeichnenwollen und Zeichnenkönnen. Zeichendidaktische Notate. In: Lutz-Sterzenbach, Barbara/Kirschenmann, Johannes (Hrsg.): Zeichnen als Erkenntnis. Beiträge aus Kunst, Kunstwissenschaft und Kunstpädagogik. kopaed Verlag München, S. 421-451.
Interessante Artikel: