ADHS bei Kindern

ADHS bei Kindern

Mit erstellt von Katrin

FIT Start

Von ADHS bei Kindern wird in den letzten Jahren viel gesprochen. Viele bezeichnen es sogar als "Modediagnose". Doch sehr viele wissen nicht, was sich dahinter verbirgt.

Die Diagnose ADHS ist nicht neu. 1867 rechnete Henry Maudsley in seinem Buch „The Physiology and Pathology of Mind“ die unruhigen Kinder zur Krankheitsgruppe des „affektiven oder moralischen Irreseins“. Seitdem streiten sich Fachkräfte und Laien, was nun als ADHS angesehen werden kann und was nicht. Manche bestreiten sogar, dass es ADHS gibt und meinen, solche Kinder wären einfach ungezogen. Somit stellt sich die Frage - was ist überhaupt ADHS und was ist es nicht?

Was ist ADHS und was ist es nicht

  1. Nur die Störung der Konzentration und Verhaltens reicht für die Diagnose nicht aus. Für eine ernsthafte Diagnose muss die Betrachtung der gesamten Entwicklung des Kindes, seines Umfelds, seiner Stärken und Schwächen her. Bei AD(H)S sind nicht nur Konzentration und Verhalten beeinträchtigt. Je nach Schweregrad treten auch Auffälligkeiten in Bereichen der Daueraufmerksamkeit, Impulssteuerung, Merkfähigkeit, Denkfähigkeit und dem motorischen Bereich auf.
  2. AD(H)S ist nicht von vornherein eine Krankheit. Nur bei ausgeprägten Symptomen und/oder ungünstigen Bedingungen kann es zu Beschwerden führen. Eine frühzeitige Diagnostik und möglichst frühzeitige Behandlung sind daher sehr ratsam. Bei einem verspäteten Anfang der Therapie oder fehlender Therapie leidet der Selbstwert des Betroffenen enorm.
  3. Das AD(H)S wird in jedem Fall vererbt. Fehlende Struktur, Bewegungsmangel, exzessiver Medienkonsum, pädagogische Vernachlässigung können AD(H)S-Symptome verstärken, aber die Anlage dafür ist immer angeboren.
  4. Viele Jugendliche fangen recht früh mit Rauchen, Alkohol und anderen Drogen an. Diese können ihren Dopamin-, Serotonin- und Noradrenalinspiegel erhöhen, führen kurzzeitig zu Verbesserung der AD(H)S - Symptomatik. Patienten fühlen sich dadurch ruhiger und mutiger fühlen, können sich besser konzentrieren und entspannen. Die Ersterkrankung solcher Jugendlicher ist allerdings AD(H)S.
  5. Ein ausgeprägtes und unbehandeltes AD(H)S kann zu  vielen weiteren psychischen Störungen (Ängsten,  Zwängen, Depressionen, Suchtverhalten, Essstörungen, Borderline) führen.
  6. AD(H)S verschwindet nicht von alleine und bedarf einer Therapie.
  7. AD(H)S hat keinen Einfluss auf Intelligenz, aber auf die Leistung. AD(H)S-ler können aufgrund von mangelnder Konzentration, Ausdauer und Fokussierung häufig nicht die Leistung bringen, zu der sie fähig sind. Je intelligenter Kinder sind, desto mehr leiden sie darunter.

Häufigkeit von ADHS bei Kindern

Aktuellen Prävalenzschätzungen zufolge sind in Deutschland ca. 5-6 % aller Kinder und Jugendlichen im Alter von 3 bis 17 Jahren betroffen. 40 % der Kinder und Jugendlichen haben im Erwachsenenalter keine wesentlichen Symptome mehr, bei 60 % der Kinder mit ADHS bleiben die Symptome auch im Erwachsenenalter. Die Diagnose wird bei den Jungs 2-4 mal häufiger vergeben als bei Mädchen.

Ursachen

  1. Dank der modernen neurobiologische Forschung und ihrer hoch technischen bildgebender Verfahren kann man heute Aussagen über den Zusammenhang von Auffälligkeiten Gehirnregionen und den AD(H)S-Symptomen treffen. Bei AD(H)S handelt es sich um Unterfunktionen des Stirnhirns und zusätzlich weiterer individuell verschiedener Gehirnbereiche.
  • 2. ADHS, ADS und viele Zwischenstufen haben eine besondere Häufung in der Familie. Dabei geht es sowie um die Häufung in einer Generation als auch von Generation zu Generation. Dabei kann das Erscheinungsbild der Krankheit so unterschiedlich sein, dass diese Häufung kaum auffällt. Die Anlagen für AD(H)S werden immer vererbt. Derzeit wurden 20 Gene gefunden, die mit AD(H)S im Zusammenhang stehen. Genetisch handelt es sich um eine Transportstörung der Botenstoffe.

AD(H)S ist eine angeborene und neurobiologisch bedingte Funktionsstörung im Bereich des Stirnhirns. Diese neurologische Eigenart bedingt eine sehr engmaschige Ausbildung des neuronalen Netzes und eine veränderte Weitergabe der Informationen. Folglich werden emotionale, motorische und kognitive Informationen anders verarbeitet. Zusätzlich entsteht bei AD(H)S ein Ungleichgewicht der Botenstoffe. Aus beiden Tatsachen zusammen ergibt sich das typisch veränderte Verhaltensmuster der AD(H)S - Kinder.

Symptome von ADHS bei Kindern und Säuglingen

  • AD(H)S bringt eine angeborene Reizfilterschwäche mit sich, die zur Reizüberflutung führt. Diese Reizüberflutung führt zu einer veränderten Informationsverarbeitung und Freisetzung der Stresshormone. Man kann diese Tatsache bereits bei Säuglingen beobachten, indem sie auf Reize mit unstillbarem Weinen und großer Schreckhaftigkeit reagieren.
  • Bei einer ausgeprägten Symptomatik stehen Patienten lebenslang unter Dauerstress, der zur Schwächung des Immunsystems führen kann. Das geschwächte Immunsystem kann zu Ausbildung von Infektionen und Allergien führen.
  • Reizfilterschwäche führt dazu, dass zu viele Reize weitergeleitet werden. Das erschwert schnelles Denken und Handeln.
  • Zu viele Nervenbahnen können das gezielte und überlegte Handeln blockieren.
  • Zu viele ungefilterte Gedanken führen zum abschweifenden Denken. Die Menschen mit AD(H)S sind permanent durch ihre eigenen Gedanken und Umweltreize abgelenkt.
  • Zu viele Informationen  überlasten das Arbeitsgedächtnis, wichtige Informationen gehen regelrecht verloren und man wird vergesslich.
  • Entscheidungen können aufgrund von Überlastung nicht schnell und richtig getroffen werden.
  • Wenn Wissen nicht schnell abgerufen werden kann, können Rechen- und Lese- Rechtschreibschwäche die Folge sein.
  • Ein genetischer und angeborener Mangel an Dopamin und Noradrenalin zieht Unaufmerksamkeit nach sich. Man kann nicht bei der Sache bleiben und bereits angefangenes nicht beenden. Die Ausnahme stellen die für ihn interessanten Themen dar.
  • Bei Dopaminmangel kann auch das Verhalten nicht ausreichend gesteuert werden. Solche Menschen reagieren übermäßig schnell, stark und impulsiv.
  • Dopaminmangel beeinträchtigt auch die Motorik. Diese wird überschießend und unkoordiniert.
  • Alle ADHS betroffenen leiden unter starken inneren Unruhe, dessen Folge die Hyperaktivität ist.
  •  Noradrenalinmangel führt zu  gesenkter Motivation, starken Schwankungen der Gefühle und schlechterem Gedächtnis.
  • Dauerstress beeinträchtigt die Bildung von Serotonin. Serotoninmangel bedingt Entstehung von Ängsten, Zwängen, depressiven Verstimmungen und Magen-Darmbeschwerden.

ADS und ADHS bei Kindern

Hyperaktivität, Verhaltensauffälligkeiten, Konzentrationsschwäche und Unmöglichkeit Aufmerksamkeit länger aufrechtzuerhalten sind die Kernsymptome von ADHS. Ein einziges Symptom reicht für eine Diagnose nicht aus. Ein verhaltensauffälliges oder hyperaktives Kind kann ADHS haben, muss aber nicht.

Bei einem ADS Kind fällt das H (=Hyperaktivität) weg. Solche Kinder fallen nicht so schnell auf. Bei oberflächlicher Betrachtung scheint das Kind sehr angepasst zu sein und stört nicht. Deshalb wird ADS so oft sehr spät diagnostiziert. Ein ADS-Kind :

  • ist unkonzentriert
  • hat Auffälligkeiten in der Feinmotorik - meidet das Malen und Schneiden.
  • Informationsverarbeitung kann schlecht funktionierten
  • ist leicht ablenkbar
  • wirkt in einer Gruppe abwesend und verträumt
  • nimmt nicht alles wahr
  • denkt langsamer und reagiert zeitlich versetzt
  • vergisst viel
  • kann sich kaum entscheiden
  • ist sensibel, weint schnell
  • kann sich schlecht verteidigen
  • fühlt sich schnell ungeliebt und missverstanden
  • ist ängstlich
  • will nicht auffallen und lächelt seine Unsicherheit weg

Solche Symptome treten nicht nur bei ADS, sondern auch bei weiteren Krankheitsbildern (wie z.B. Intelligenzminderung, Schilddrüsenunterfunktion, Depression) oder Fehlerziehung. Es bedarf einer ausführlichen professionellen Diagnostik.

ADHS und ADS unterscheiden sich in Hyperaktivität des Kindes. ADS-Kinder sind eher verträumt und zurückgezogen, während ADHS-Kinder motorisch unruhig sind und als "Störenfried" auffallen. Im Grunde jedoch ist es dasselbe Krankheitsbild, das durch verminderte Daueraufmerksamkeit und Konzentration, schlechte Motorik, Gefühlssteuerung und Informationsverarbeitung. Im Intelligenztest besteht beim unbehandelten ADS meist eine deutliche Differenz zwischen Verbal- und Handlungsteil.

ADHS Probleme im Alltag und Tipps

1. Einschlafschwierigkeiten

Durch die Regulationsstörungen und Reizfilterschwäche können sich viele Kinder am Ende eines Tages nicht beruhigen und schlecht abschalten. Daher klagen viele Patienten über (Ein-)Schlafstörungen.

Was sie tun können:

  • Nichts Aufregendes am Abend - keine aufregenden Filme, kein Streit
  • gemeinsam überlegen, was an diesem Tag toll war
  • wenn Sie religiös sind - beten Sie mit Ihrem Kind
  • Streicheleinheiten, Massagen
  • heißes Bad
  • kein zuckerhaltiges Essen am Abend
  • ruhige Einschlafmusik
  • Meditation

2. Testen von Grenzen

Ein ADHS-Kind wird im Alltag seine Grenzen testen und seine Eltern permanent auf die Probe stellen. Zu viel Chaos im Kopf benötigt eine klare Struktur von Außen. Solches Kind braucht Klarheit - in Abläufen, in Regeln, in Verhältnissen. Diese Klarheit verschafft ihm Sicherheit und Orientierung. Das Kind wird immer wieder testen, ob es Grenzen gibt und ob sie immer noch aktuell sind um seine Portion Sicherheit zu bekommen.

  • Stellen Sie wenige Regeln und auch nur die, die Sie garantiert durchsetzen können. Und halten Sie sie unbedingt jederzeit ein. Es muss für das Kind klar sein, dass das Verbotene verboten ist. Immer.
  • Überlegen Sie, ob es sich lohnt, diese Regel durchzusetzen, denn es wird Sie viel Kraft kosten.
  • Geben Sie NIEMALS nach, wenn ein ADHS - Kind nervt. So lernt es, dass das Nerven Vorteile mit sich bringt und wird beim nächsten Mal noch penetranter.
  • Seien Sie für Ihr Kind berechenbar. Das Kind muss wissen, was auf es zu erwarten hat. Unabhängig davon, ob Sie einen guten oder schlechten Tag hatten.
  • Versuchen Sie es nicht immer auf die harte Tour. Halten Sie die Regeln ein, aber versuchen Sie sich außerhalb dieser Regeln mit Ihrem Kind zu einigen.

3. Geringe Frustrationstoleranz bei Kindern mit ADHS

Ein ADHS-Kind hat häufig geringe Frustrationstoleranz (d.h Schwierigkeiten, Niederlagen zu verkraften). Wenn es etwas nicht so läuft, wie es sich vorgestellt hat, sind heftige Wutausbrüche (teilweise mit Beschimpfungen) häufig die Folge. Die Wut ist aber meist genauso schnell wieder weg, wie sie aufkommt.

  • Nehmen Sie das während des Wutanfalls gesagte nicht persönlich. Ihr Kind kann in diesem Moment nicht anders. Es ist wie ein Ferrari mit Handbremse - in 3 Sekunden von 0 auf 100, aber langsam im Abbremsen.
  • Schlagen Sie in solchem Moment keine Lösungen oder Alternativen vor. Wie ein Ferrari auf Höchstgeschwindigkeit, kann ein ADHS-Kind in einem solchen Moment nur "geradeaus" und kann Ihre Vorschläge nicht wahrnehmen.
  • Ziehen Sie sich in diesem Moment am besten zurück
  • Holen Sie Hilfe, wenn Ihr Kind selbst- oder fremdgefährdend wird, oder wenn die Wutausbrüche zu stark sind. Es ist ein schwerwiegendes Problem, das am besten vor der Pubertät in den Griff zu kriegen gilt.
  • Überlegen Sie, ob Sie selbst oft genug die Ruhe bewahren.

4. Vermeidungsverhalten

Ein weiteres Problem stellt Vermeidungsverhalten dar. Die Kinder haben wenig Ausdauer, eine Aufgabe bis zum Ende auszuführen, vor allem, wenn sie ihnen schwerfällt oder nicht in ihrem Interessensgebiet liegt. Gekoppelt an geringe Frustrationstoleranz entsteht die Tendenz jegliche Herausforderung umzugehen. So entsteht ein Teufelskreis. Das Kind vermeidet die Anstrengung, weil es zu schwer bei der Aufgabe zu bleiben (mangelnde Fähigkeit). Dadurch entstehen weitere Fähigkeits- und Fertigkeitsdefizite. Daraufhin ist das Kind noch frustrierter und hat noch weniger Lust sich auf eine Aufgabe einzulassen, was zu immer weiteren Defiziten führt

  • Stärken Sie das Selbstbewusstsein Ihres Kindes. Denn je älter das Kind wird, desto deutlicher merkt es, dass es anders ist.
  • Finden Sie eine Aufgabe, die Ihr Kind gut lösen kann und steigern Sie langsam den Schwierigkeitsgrad.

5. Überreaktion

Eine weitere Schwierigkeit ist, dass das Kind zu aufgedreht ist. Ein ADHS-Kind neigt immer zur Überreaktion, wie positiv, so auch negativ. Mit vielen Situationen sind solche Kinder komplett überfordert. Sobald etwas Neues dazu kommt, müssen die Grenzen wieder klargestellt und getestet werden.

  • geringer Geräuschpegel
  • geregelter Tagesablauf
  • Ordentliches und reizarmes Zuhause
  • wenige, geeignete Spielsachen
  • Stärkung der exekutiven Funktionen

Aufgrund von Aufmerksamkeitstörung übersehen die ADHS-ler häufig Signale der Anderen. Sie sprudeln vor Ideen und Gedanken und bemerken nicht, dass ihr Verhalten der Situation nicht angemessen ist. Die Folgen davon bekommen sie unmittelbar zu spüren und ärgern sich häufig über sich selbst.

  • stärken Sie die sozialen Kompetenzen Ihres Kindes
  • begleiten Sie Ihr Kind in schwierigen Situationen
  • Sorgen Sie dafür, dass Ihr Kind soziale Kontakte hat

Manchmal treten neben dem ADHS weitere Wahrnehmungsstörungen und Entwicklungsverzögerungen auf. Je früher sie behandelt werden, deste besser stehen die Chancen. Geeignete Anlaufstellen dafür wären

  • Heilpädagogische und
  • ergotherapeutischen Praxen,
  • Motopäden (Psychomotorik) und
  • Spezialisten für Sensorische Integration.

Therapie von ADHS bei Kindern

1. Medizinische Therapie

Die Unterfunktion des Stirnhirns und der Mangel an einzelnen Botenstoffen kann medikamentös ausgeglichen werden. Moderne bildgebende Verfahren bestätigen die Wirksamkeit der medikamentösen Therapie. Stimulanzien reduzieren die Reizüberflutung und der Alltag wird nicht mehr so intensiv erlebt, die Gedanken können sortiert werden und eingehende Informationen gut verarbeitet.

2. Sport

Dopamin wird während des Sports ausgeschüttet. Es führt zum Gefühl des Erfolgs und Zufriedenheit. Damit kann der für ADHS-Kinder typischer Dopaminmangel wenigstens vorübergehend ausgeglichen werden. Zusätzlich reduziert Sport die Hyperaktivität.

3. Ernährung

Dauerstress, der häufig bei ADHS-Kindern entsteht, führt zum Absinken des Serotoninspiegels (und damit zu noch schlechteren Impulskontrolle und Aggressionen). Dieser Tatsache könnte man mit Ernährung entgegenwirken. Lassen Sie keine Mahlzeiten aus und verzichten Sie auf künstliche Farbstoffe. Zusätzlich wäre zu überlegen Omega 3 und Vitamin D einzunehmen (Sprechen Sie das bitte mit Ihrem Kinderarzt ab!).

4. Psychotherapie

Wenn Sie selbst nicht mehr zurechtkommen, holen Sie sich und Ihrem Kind Hilfe.

Unglaublich, wie viel Kaffee ich bei der Erstellung dieses Inhaltes getrunken habe. Danke, wenn Du mir hilfst, meinen Tank wieder zu füllen. (Spende)